Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Cécile Hummel: Flüchtige Orte

27. Februar 2005 – 22. Mai 2005

005_Hummel
Cécile Hummel: Stazione Termini, Rom, 1997, Gouache auf Papier, 41 x 56 cm
Die Wirklichkeit ist ein flüchtiges Gebilde. Sie realisiert sich von Moment zu Moment in der Wahrnehmung jedes Einzelnen. Kaum gesehen, hat sich die Welt wieder verändert. Das Leben bleibt unfassbar, flüchtig. Um der ständig sich entziehenden Wirklichkeit habhaft zu werden, produzieren Menschen unter anderem Bilder. In Fotografie oder Zeichnung gerinnt der Anblick der Welt zu vermeintlicher Festigkeit. Das Flüchtige erhält Präsenz, gerinnt zu einer festen Form, wird greifbar und kontrollierbar.

Allerdings realisiert sich die Wirklichkeit im Bild nur als Schein, als flächige Spiegelung, als perspektivisch verengter Augenblick auf ein komplexes Ganzes. Und kaum ist ein Bild entstanden, so bricht die Verbindung zur Wirklichkeit ab. Das Dargestellte verselbständigt sich, präsentiert sich in anderen Kontexten, generiert neue Bedeutung. Auch Bilder sind nur flüchtige Orte, die sich ständig verändern, die sich der aufmerksamen Wahrnehmung immer wieder frisch und neu zeigen.

Cécile Hummels Werke, ihre flüchtigen Orte, sind angesiedelt im diffusen Bereich zwischen Fotografie und Zeichnung. Seit den frühen 90er Jahren arbeitet die Künstlerin gleichzeitig mit beiden Medien. In den letzten Jahren ist zudem das Experiment mit der Videokamera hinzugekommen. Cécile Hummel erforscht in ihren Werken die je unterschiedlichen Potentiale der benutzten Medien, wobei sich die Lust am Dokumentieren der Wirklichkeit und der Hang zu einer bildnerischen Tiefenanalyse der Dinge die Waage halten. Jede Fotografie und jede Zeichnung von Cécile Hummel spiegelt so Wirklichkeit und hinterfragt sie gleichzeitig. Dadurch kristallisiert sich an ihren Bildfindungen eine Auseinandersetzung darüber, was denn Bilder zur Erkenntnis über die Dinge beizutragen vermögen, wie denn das dünne Band zwischen Wirklichkeit und Bild beschaffen ist.

Im Lauf der Jahre hat sich Cécile Hummel ein breites Vokabular an Motiven erarbeitet: Architekturen und Objekte, Raumeindrücke und Gestelle, aber auch gegenstandslose Strukturen und Muster werden in Fotografie und Zeichnung auf ihre Bildwirksamkeit ausgelotet. In der Ausstellung „Flüchtige Orte“ im Kunstmuseum des Kantons Thurgau stellt die Künstlerin Werke aus beiden Medienbereichen zu intuitiven Bildfeldern zusammen. Variationen einzelner Motive finden sich zu freien Gruppen vereint, die unvermittelt neben Fotografien und Zeichnungen aus anderen Inhaltsbereichen stehen können. Die Felder erzählen so eine offene Bildergeschichte. Diese lesen und verstehen zu wollen, verlangt nach Neugierde, Fantasie, aber auch nach der Bereitschaft, sich auf eine Reise von einem flüchtigen Ort zum anderen einzulassen.

Cécile Hummel selbst beschreibt ihr Vorgehen wie folgt: „Meine Zeichnungen, Fotografien und Videos sind Versuche, zufällige Stadtstillleben, Orte und Räume zu erfassen. Die Fotografie führt naturgemäss viele Informationen in einem Bild zusammen, während die Zeichnung – additiv und sukzessiv aufgebaut – gerade durch die Reduktion lebt. Um die Grenzen und Übergänge der beiden Medien auszuloten, werden Fotografien und Zeichnungen in installativen Anordnungen nebeneinander gehängt. So verbinden, ergänzen und kontrastieren sich fotografierte Momente, die zu Erinnerungen gefroren sind, mit Zeichnungen, in denen sich Erinnerungsfragmente zu etwas Neuem zusammenfinden.“

Ein Besuch in der Ausstellung öffnet einen Einblick in ein erstaunliches Imaginarium einer Künstlerin. Cécile Hummel verarbeitet zeitgenössische Designformen oder Jahrtausende alte Kultobjekte in ein ebenso persönliches wie universelles Vokabular bildnerischer Ausdrucksformen. Darüber hinaus erzwingt das unmittelbare Nebeneinander von Fotografie und Zeichnung eine Auseinandersetzung mit den Fragen, welche Möglichkeiten den jeweiligen Medien innewohnen und wo die Grenzen der Ausdrucksformen zu suchen sind.

Die Publikation zur Ausstellung ist im Shop erhältlich.

Biografie