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(Micha Treuthardt/Cornelia Gann) treuthardt.gann: Passform

24. November 2001 – 12. Mai 2002

Ausstellung der Adolf Dietrich-Förderpreisträger 2001

Jedes zweite Jahr vergibt die Thurgauische Kunstgesellschaft den Adolf Dietrich-Förderpreis. Die Vergabe besteht aus einer Geldsumme, der Finanzierung einer kleinen Publikation sowie einer Ausstellung im Kunstmuseum des Kantons Thurgau. Der Adolf Dietrich-Förderpreis 2001 geht an das junge Künstlerduo Treuthardt.Gann, das in Zürich lebt und im Thurgau anlässlich der "Hausbesetzung" des Ulmbergs mit der Einrichtung eines Hotelzimmers erstmals einem breiteren Publikum aufgefallen ist.

Micha Treuthardt, in Kreuzlingen aufgewachsen, und Cornelia Gann aus Wittenbach, treten seit 1998 mit gemeinsamen Projekten auf. Sie nutzen dabei die breite Palette an Ausdrucksmitteln, die die zeitgenössischen Kunst zur Verfügung stellt: Video und Fotografie werden mit der gleichen Selbstverständlichkeit eingesetzt wie installative Raumbesetzungen. An den Schnittstellen der verschiedenen Medien spüren sie deren Möglichkeiten nach. Treuthardt und Gann agieren dabei an der Bruchstelle zwischen Realität und Bild. Sie analysieren die Möglichkeiten von Inszenierungen, indem sie sie auf die Spitze treiben. Gleichzeitig professionell und spielerisch setzen sie die künstlerischen Mittel ein, um Vexierbilder zu schaffen, in denen die Grund-bedingungen der bildnerischen Produktion von Wirklichkeit thematisiert werden.

Die Ausstellung im Kunstmuseum steht unter dem Stichwort "Passform". Treuthardt und Gann schneiden aus weissen Papierbogen lebensgrosse, stilisierte Figuren aus, deren harmonisch fliessende Linien an die Skulpturen von Hans Arp oder die papier decoupées von Henri Matisse erinnern. Das Künstlerduo legt die so entstehenden Schablonen über auf dem Boden liegenden Personen. Dem lebenden Körper wird eine Passform übergestülpt. Fotografien halten die Resultate fest. Mit diesen Foto-grafien treiben Treuthardt und Gann ein doppeltes Spiel. Zum einen spüren sie ästhetischen Fragestellungen nach: Durch die gezielte Veränderung der Inszenie-rung, der Kameraperspektive, den Wechsel von Modellen und ihrer Kleidern treten je unterschiedliche formale Qualitäten in den Vordergrund. Mal erscheinen die Figuren wie flache, auf die Papierebene der Passform reduzierte Zeichen, mal heben sie sich wie hügelige Landschaften von der neutralen Fläche des Papiers ab. Jede Fotografie erweist sich dabei als eine präzise Inszenierung von Figur und Grund.

Besonders interessant wird dieses Spiel da, wo die Ränder der Passformen sichtbar sind. Hier bleiben die Spielregeln der Inszenierung und deren Auswirkungen sichtbar und für das Publikum kontrollierbar. Die Künstlichkeit der Bildproduktion und die dafür eingesetzten Mittel werden modellhaft mit zum Thema der Fotografien. Damit verweisen die Fotografien über die ästhetische Fragestellung hinaus auf einen gesellschaftlichen Kontext. Die über den Körper gestülpte Schablone unterwirft den darunter liegenden Menschen einer vorgegebenen Form. Die Passformen werden zum bestimmenden Rahmen des Menschenbildes. Sie steckt den Rahmen ab, der dem Modell zur Selbstdarstellung bleibt. So erweist sich das Spiel der Künstler mit ihren überdimensionierten Scherenschnitten plötzlich auch als humorvoller und kritischer Spiegel von gesellschaftlichen Darstellungsprozessen. Wir alle unterwerfen uns in unserer Selbstdarstellung, in unserem gesellschaftlichen Agieren vorgegebenen und selbstgestalteten Passformen. Treuthardt und Gann führen uns spielerisch vor Augen, was dabei an Umformungen geschehen kann.

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