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Bricolages

4. Februar 2001 – 22. April 2001

Der Begriff "Bricolage" hatte lange Zeit zum Teil auch heute noch eine abschätzige Bedeutung. Er wurde angewendet, um eine improvisierte, schlecht und recht gemachte Arbeit zu bezeichnen. Erst Claude Levi-Strauss verlieh ihm in seinem Buch "La pensee sauvage" (1962) einen neuen Glanz. Und in Verfolgung dieser Analyse interessiert uns der Begriff "Bricolage". Das Bild des Bastlers, der seine Tätigkeit ausübt aufgrund einer Praxis, die er selbst entwickelt hat, steht dem Bild des Ingenieurs gegenüber, dessen Aktionsfeld auf theoretischem Wissen basiert. Der Künstler ist für Claude Levi-Strauss Gelehrter und Bastler in einem: Mit handwerklichen Mitteln schafft er ein sinnliches Objekt, das gleichzeitig ein Objekt der Erkenntnis ist.
Heute verfügt der Mensch nicht nur über zunehmend viel Freizeit, sondern auch über die vielfältigsten Werkzeuge und Technologien für den individuellen Gebrauch. Die Grenzen zwischen Beruf und Hobby verwischen sich in bezug auf Arbeitszeit, auf Verfügbarkeit von Material, auf Geschicklichkeit. "DO IT YOURSELF" ist ein Unternehmensgeist, der zu Aktivitäten motiviert, die jedermann zu Hause entwickeln kann. Diese Faktoren verlangen und fördern gleichzeitig eine vielfältige Kompetenz in der Beherrschung von Instrumenten und Techniken. Parallel zu dieser Entwicklung wurde das Recycling aller Arten von Materialien eine ökologische und ökonomische Notwendigkeit. Der Prozess, der darin besteht, "aus Altem Neues zu machen", bedingt gerade auf dem Gebiet der plastischen Künste sowohl eine Liebe zum Material als auch technische Kenntnisse und einen ästhetischen Erfindungsgeist, kurz einen kreativen Willen.
Wir versuchen, aufzuzeigen, dass aus unserer Sicht "Bricolage" eine Geisteshaltung ist. Eine Geisteshaltung, die uns veranlasst, zu probieren, zu erforschen, zu improvisieren und auch zu erfinden. Eine geistige Einstellung also, die nicht auf einer Praxis des "Beinahen" hinausläuft sondern im Gegenteil auf die Erarbeitung von Fähigkeiten, mit denen ein Individuum sein einzigartiges, persönliches Universum erstellen kann. Die Künstler, die wir ausgewählt haben, konstruieren, dekonstruieren, verformen Bilder, Objekte, Strukturen und entwickeln Überlegungen auf allen möglichen Gebieten: von der Wohnung zu "condition humaine", von der Musik zum Spiel, vom menschlichen Körper zur Umwelt. Jeder praktiziert nach seiner Methode eine Art "Bricolage", die wir als persönliche Technologie bezeichnen können.
Die Mehrzahl der Künstler/innen dieser Ausstellung lebt in der Romandie oder in Frankreich. Damit erhält das Publikum in der Ostschweiz, einer Region, die eher auf das deutsche und angelsächsische Kunstgeschehen ausgerichtet ist, die Gelegenheit, einen Blick auf die frankophone Kunst zu werfen. Sicher sind der Begriff und die Praxis des "Bricolage" nicht ausschliesslich frankophon, aber es erschien uns angebracht, daran zu erinnern, dass neben der üblichen Vorstellung, nach der die frankophonen Künstler/innen hauptsächlich intellektuelle, formalistische oder Text-Werke schaffen, doch viele von ihnen ausgesprochene "Bricoleurs", also Bastler sind.