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Tichy, Miroslav (1926 – 2011)

Miroslav Tichy in seiner Wohnung. Foto: Markus Landert

Miroslav Tichy wurde 1926 in einem kleinen Dorf in Mähren geboren. Nach einer akademischen Ausbildung - er besuchte die Kunstakademie in Prag - hatte er regen Kontakt zu avantgardistischen Malern in der Region. Er lehnte sich vor allem an den Expressionismus und Kubismus an, sein Hauptmotiv war die Frau. Seine Arbeit wurde überschattet von der damaligen politischen Situation. Wer sich als Kunstschaffender nicht am sozialistischen Realismus orientierte, geriet heftig unter Beschuss.
Nach zahlreichen Aufenthalten in Gefängnissen und Psychiatrien kehrte der Künstler 1955 verändert in sein Elternhaus zurück. Er wandte sich vom früher rege gepflegten gesellschaftlichen Leben ab und dem Aussenseitertum zu. Ab den Sechzigerjahren begann er, sein Äusseres zu vernachlässigen und wurde im Dorf mehr und mehr als Sonderling verschrien. Mit seiner Lebensweise passte er nicht ins kommunistische System. Dies lenkte die Aufmerksamkeit der Behörden auf ihn. So wurde Tichy erneut mehrmals in psychiatrische Kliniken eingeliefert.
Gleichzeitig mit den Lebensumständen veränderte sich auch Mirek Tichys Werk. Durch seine soziale Stellung und den mangelnden Kontakt zu anderen Künstlern, gelang es ihm nicht, sich als Kunstschaffender zu etablieren.
In den Sechzigerjahren begann er zu fotografieren. Dieser Tätigkeit ging er mit rudimentären Apparaten nach, die er aus Dosen, Brillengläsern, Bierdeckeln und anderen Materialien selber herstellte. Auf korrekte Entwicklung und Aufbewahrung der Bilder legte der Fotograf keinen Wert. So entstand sein fotografisches Werk, eine Unmenge an beschädigten, von Unschärfen geprägten Fotografien, die sich im Wohnraum des Künstlers stapelten.
Tichys Motive blieben bei der Fotografie dieselben wie bei der Malerei. Er bildete die Frauen in seinem Dorf ab - hauptsächlich deren Beine, Rocksäume, Kniekehlen oder Brüste. Ohne durch den Sucher zu sehen (und meist ohne von den Modellen bemerkt zu werden) schoss er seine Fotos. Die Heimlichkeit der Aufnahmen war mitbedingt durch seine Randstellung innerhalb der Gesellschaft. Es entstanden Bilder, denen etwas poetisch Naives und ungeschminkt Voyeuristisches zugleich anhaftet.
Lange war der Künstler nicht bereit, seine Fotografien zu verkaufen. Ende der Neunzigerjahre hörte er mit dem Fotografieren auf. Erst danach gab er sein Einverständnis für Ausstellungen. Zuerst sah man ihn 2004 an der Biennale in Sevilla. Die erste umfassende Werkschau war 2005 im Kunsthaus Zürich. Tichý selbst lebte bis zu seinem Tod 2011 zurückgezogen in Kyjov und äußerte sich hinsichtlich seines späten Ruhms wiederholt ablehnend. Die Erforschung und Bewertung von Tichýs Leben und Werk sind angesichts der schwierigen Nachlasslage und seiner Existenz als lokalem Sonderling bis heute nicht abgeschlossen.

Ausstellungen