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Jakob Greuter: Der Zweite Weltkrieg

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Jakob Greuter: Deutscher Flugplatz in der Cyrenaika, aus der Serie "Der Zweite Weltkrieg", undatiert. ©Kunstmuseum Thurgau
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Jakob Greuter: Was steht für Deutschland in Oberschlesien auf dem Spiel?, aus der Serie "Der Zweite Weltkrieg", undatiert. ©Kunstmuseum Thurgau
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Jakob Greuter: Militär im Feld, aus der Serie "Der Zweite Weltkrieg", undatiert. ©Kunstmuseum Thurgau

Herstellungsjahr: undatiert

Technik: Bleistift, Farbstift, Aquarell

Jakob Greuter setzte den 2. Weltkrieg ins Bild, ohne selbst ein direktes Kriegserlebnis gehabt zu haben. Die Bilder entstanden nach Vorlagen in Zeitschriften, welche er meist bei seiner Arbeit als Kübelleerer bei der Stadt St. Gallen im Müll fand. Die Arbeit umfasst 92 Zeichnungen.

Der Schweizer Bauamtsarbeiter Greuter hat keine malerische Ausbildung durchlaufen. Vor diesem Hintergrund ist die Entstehung der gezeichneten „Kriegsmappe“ mit dem Titel "Der Zweite Weltkrieg" ungewöhnlich.
Das Konvolut der formatgleichen Zeichnungen in Bleistift, Farbstift und Aquarell bewahrt Greuter in einer aus Abfallstücken gebastelten Mappe auf, die er selbst zusammengeklebt hat und mit Goldbronze „Der 2. Weltkrieg“ beschriftet hat. Diese Mappe bewahrt Greuter bei sich auf, sie sind also nicht für die Öffentlichkeit entstanden.
Immer gleich detailreich zeichnet Greuter nach Vorlagen. Kriegsfotos aus dem deutschen Propagandablatt „Signal“ und der „Schweizer Illustrierten Zeitung“. Politische Couleur ist dabei zweitrangig. Ihn interessieren allein die Bilder kriegerischer Ereignisse, derer er auf diese Weise habhaft werden kann. Gefunden hat er Malutensilien und Vorlagen in den Abfällen der Gesellschaft, die er täglich als Müllmann beseitigt.
Er und seine Familie stehen durch diese berufliche Rolle am Rand der Gesellschaft. Greuter scheute als Kind schon sich zu integrieren und versteckte sich lieber, als Kontakt aufzunehmen. Das akribische Zeichnen hat so für diesen Aussenseiterkünstler eine mehrfach kompensatorische Funktion:
Erstens kann sich Greuter ungelebtes Leben durch das Abzeichnen vorgefundener Lebensbilder aneignen.
Zweitens mag er sein eigenes Leiden auf diese Weise im Prozess des Zeichnens sublimieren.
Drittens vermag er mit der Wahl der Kriegsthematik seine Außenseiterposition aufzuheben. Die Kriegssituation reduziert den Menschen auf das Existentielle, unabhängig von seiner gesellschaftlichen Position.
Seine Kriegszeichnungen, die im Wechsel von Schrift und Bild wie Comics anmuten, sind äusserst detailreich und doch dilettantisch in Perspektive und Proportion gezeichnet. Das zeichnerische Durchhaltevermögen hat auch etwas Zwanghaftes. Jakob Greuter zeichnet seine Blätter nicht tagebuchartig, zeitnah zu den Ereignissen, sondern wohl rückblickend als Metapher für seine persönliche Erlösungsutopie, die er am Soldatentum festmacht. Denn die Gleichheit der Soldaten hat Greuter während seiner Aktivzeit als entlastend erfahren.
Greuter erzeichnet sich Lebensraum, denn jede freie Stunde begibt er sich in die innere Emigration des Zeichnens, lieber als mit Freunden zu sein. Die letzte seiner Kriegs-Zeichnungen ist sinnigerweise eine Weltkarte mit dem Titel „Raum für alle hat die Welt“.

Biografie