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Kuhn, Sonja

Künstlernachlässe

Editorial

Der Text erscheint in: "Künstlernachlässe", (Schweizer Kunst, 02.07/01.08), hrsg. VISARTE Schweiz, Zürich 26.10.07 Sehr bald wird klar, dass wir mit dem Jahresthema „Künstlernachlässe“ in ein Wespennest gestochen haben. Die einen fürchten Begehrlichkeiten (der Bund), die anderen die Bilder und Skulpturen (die Museen), wieder andere das Steueramt und die vollen Ateliers (die Nachkommen), am meisten aber fürchten einige das Vergessen (die Künstlerinnen und Künstler). Nur auf die Frage, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit den Hinterlassenschaften gefunden werden kann, hat keiner Antworten parat.

Wir können die verschiedenen Perspektiven beleuchten, diskutieren über Erhaltenswertes und was entsorgt werden sollte, wir können Künstlerinnen und Künstler geflissentlich mahnen, sich mit dem Thema bereits zu Lebzeiten auseinanderzusetzen und Museen daran erinnern, dass sie einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag haben. Nur nützt dies wenig, wenn Nachlässe alle Grenzen sprengen, personelle wie physische. Lösungen können auch wir nicht anbieten. Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben die Nationalbibliothek, die zwar auch nach strengen Kriterien auswählt, die Künstlerinnen und Künstler haben die zahlreichen Institutionen, die dankend abwinken und an regionale Institutionen verweisen, die ebenfalls abwinken. Gibt es tatsächlich nur kapitalistische Lösungen, wie dies Wolfgang Henze ausführt? Gibt es Mischformen, wie das Forum für Nachlässe in Hamburg? Oder sollte man Künstlerinnen und Künstlern anraten nach individuellen Lösungen zu suchen, wie das Gottfried Honnegger vorschlägt?

Tatsache ist, es herrscht Hilflosigkeit. Tief in meine Erinnerung eingegraben hat sich ein Anruf einer älteren Dame, Witwe eines Künstlers, dem der Durchbruch auf dem internationalen Kunstparkett nicht gelungen ist. Das Steueramt der Wohngemeinde will die unzähligen Zeichnungen und Bilder zum Vermögen zählen und die Witwe kommt dadurch nicht in den Genuss von Ergänzungsleistungen der AHV, sitzt aber auf einem Berg weitgehend unverkäuflicher Werke. Ein bitterer Preis, den sie für eine Einschätzung zahlen muss, die nicht der Wirklichkeit des Kunstbetriebs entspricht. Die Hoffnung der Künstlerinnen und Künstler, dass die Bedeutung des eigenen Werkes posthum erkannt wird, scheint das unlösbare Kernthema zu sein. Interessant dabei ist, dass das Steueramt der gleichen Illusion obliegt.

Sonja Kuhn und Alex Meszmer

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