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Messmer, Dorothee

Versuche, das Unmögliche möglich zu machen

Interview

Zilla Leutenegger im Gespräch mit der Kuratorin Dorothee Messmer D: Beginnen wir beim Ausgangspunkt dieses Projekts. Wie bist du vorgegangen, als du angefragt wurdest, ob du im Kunstmuseum Thurgau eine Ausstellung ausrichten möchtest?

Z: Eine wichtige Herangehensweise ist es, Ansätze zu potenziellen Arbeiten in meinem Kopf mit mir herumzutragen. Ich habe mir dieses Ideenrepertoire zugelegt, weil ich weiß, dass ich unter Zeitdruck nicht gut arbeiten kann. Ich brauche es, um zu überleben, weil ich nicht einfach so aus dem Stegreif arbeiten kann. Eine Ausstellung wie die jetzige im Kunstmuseum Thurgau kann ich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln.

D: Dann greifst du auf einen Fundus zurück, der bereits vorhanden ist?

Z: Die Ideen sind ansatzweise da, aber sie entwickeln sich schneller und erhalten eine spezifische Zuordnung. Zu Beginn des Projekts in der Kartause hatte ich im Sinn, mich auf die ehemalige Funktion dieses Raumes als Vorratskeller zu beziehen und sie zum Inhalt der Ausstellung zu machen. Später habe ich realisiert, dass diese Idee meiner Arbeit nicht gerecht wird. Denn für mich steht die einzelne Figur als Exempel für das Menschsein im Zentrum, sie soll in diesem speziellen Raum zuhause sein, einem Raum nahezu ohne Tageslicht, und damit auch das Wachsein in der Nacht thematisieren.

D: Der Raum steht also nicht für einen spezifischen Raum, sondern für die Befindlichkeit eines Menschen darin?

Z: Ja, alles dreht sich um diese einzelne Figur, die sich in einem Raum aufhält und eine bestimmte Handlung vollzieht. Die Stimmung, die durch das Licht, die Musik und durch die minimale Bewegung der Figur hervorgerufen wird, ist dabei sehr wichtig, aber auch jene Aspekte, die durch den Raum vorgegeben sind und die ich nicht beeinflussen kann, wie das Gewölbe, die Steine oder das mangelnde Tageslicht.

D: Das Gewölbe ist ja fast höhlenartig und wirkt dadurch beinahe archetypisch. Es erinnert an die Behausungen der Steinzeitmenschen oder an den Zustand des Embryos im Bauch seiner Mutter. Auch dort schwebt der Mensch allein im Raum.

Z: In meinen Arbeiten geht es viel ums Alleinsein. Meine Figur ist immer allein. In dieser Ausstellung werde ich zwar drei bis vier Installationen zeigen, aber jeweils nur mit einer einzelnen Figur. Allenfalls geht sie einmal weg und taucht woanders wieder auf. Vielleicht handelt es sich dabei um den Hausgeist der Kartause. Man schaut in einen Ausschnitt aus dem Leben dieser Person, und es ist immer Nacht. Sie vollzieht kleine Handlungen: Sie sitzt auf einer Treppe und trinkt ein Glas Milch, sie liegt wach im Bett, oder sie spielt einfache Stücke auf dem Flügel. Es sind Handlungen, die man in der Nacht unternimmt, wenn man allein ist und nicht schlafen kann. Dabei ist es nicht so wichtig, ob sie nun ein Glas Milch trinkt, etwas isst oder einfach nur dasitzt und sich die Fingernägel feilt. Die Handlung soll möglichst banal sein, aber doch eine Tätigkeit darstellen und sich immer wiederholen. Es sind denn auch keine narrativen Geschichten, die ich zeige, sondern im eigentlichen Sinne Bewegungsstudien.

D: Bei deinen Arbeiten fällt auf, dass sie häufig in der Nacht angesiedelt sind. Inwiefern ist diese Tageszeit besser geeignet als der Tag?

Z: In meiner Vorstellung wohnt ja der Hausgeist im Keller, nicht, weil er eingesperrt ist, sondern weil er einfach in einer anderen Welt lebt. Es herrscht dort weder Tag noch Nacht. Es gibt einfach kein Tageslicht in diesem Raum. Der Betrachter gelangt in eine andere Zeit, in die Welt dieser Person, die sich irgendwie betätigt, mit Handlungen, die sehr banal sind. Jeder weiß, wie es ist, Milch aus dem Kühlschrank zu holen und auf der Treppe sitzend zu trinken, in der Zeitlosigkeit, die man in der Nacht fühlt. Dann ist man weitgehend losgelöst von den Tätigkeiten des Alltags.

D: Es handelt sich ja eigentlich nicht um Tätigkeiten, sondern eher um Bewusstseinszustände?

Z: Ja, die Person wirkt gefangen im Raum. Ich habe nicht den Anspruch, dass der Besucher meine Bilder eine Viertelstunde lang anschaut, es findet ja auch keine Steigerung statt. Man sieht jemandem bei einer Tätigkeit zu, in die er vertieft ist. Aber man kann davon ausgehen, dass er in zehn Minuten immer noch das Gleiche tut. Meine Bilder liest man wie ein Bild, nicht wie einen Film, weil sie keine Handlung, keine Dramaturgie haben.

D: Warum müssen sie sich bewegen?

Z: Mich interessiert eben doch der Aspekt der Zeit im Bild. Wenn sich eine Figur bewegt, dann weiß man, sie verbringt eine gewisse Zeit, sie entwickelt eine gewisse Ruhe, sie langweilt sich vielleicht sogar. In der Zeichnung funktioniert so etwas auch, aber man betrachtet sie anders als einen Film. Es entsteht auch nicht der Eindruck eines Gegenübers, und sie wird nicht körperlich.

D: Stellt nicht die Bewegung in deinen Zeichnungen auch Lebendigkeit her? Eine Zeichnung vermittelt einem das Gefühl des Festhaltens eines gewesenen Augenblicks. Deine Bilder empfinde ich jedoch als gegenwärtig. Man steht als Betrachterin einer Situation gegenüber, die gerade eben passiert.

Z: Ja, und man empfindet sich als jemandem gegenüberstehend oder -sitzend. Für dieses Projekt verwende ich Schatten, also keine Zeichnungen mehr, was noch näher an der Realität ist. Wir werfen ja alle einen Schatten, wenn eine Lichtquelle vorhanden ist. Ich spiele aber auch gerne mit den Bildebenen. Bei der Piano-Arbeit verwende ich einen Disk-Flügel, dessen Tasten technisch bewegt werden. Der fehlende Spieler ist aber als Schatten sichtbar und wird an der Wand mit dem realen Schatten des Pianos zusammengefügt. So entstehen zwei Bildebenen, der Schatten, der das wiedergibt, was du dir vorstellst, und der Schatten des Objekts. Es handelt sich um eine einfache Spielerei, und die Vorstellung würde eigentlich reichen. Aber mich reizt es, zu sehen, was zwischen diesen zwei Bildebenen passiert.

D: Geht es dabei auch um das Spiel mit Fiktion und Realität?

Z: Ja. Der Trick an sich, der vordergründige Effekt interessiert mich daran nicht so sehr wie dieses Spiel mit verschiedenen Realitäts- und Wahrnehmungsebenen. Bei der zweiten Arbeit sitzt die Figur auf der Treppe. Man erblickt sie jedoch erst als Schattenwurf an der Wand. Die Arbeit ist sehr reduziert und konzentriert sich lediglich auf den Schatten. Sie lenkt den Blick aber auch auf die Treppe selbst, die auf eine besondere Art gestaltet ist und eine perfekte Bühne abgibt.
Die dritte Arbeit befindet sich mitten im Raum und besteht aus einem Podest und einer Rückwand, die mit einem Fenster versehen ist. Durch das Fenster erblickt man den Mond, der durch eine runde Lampe markiert ist. Auf der Bühne steht ein Bett. Auf der Rückwand sieht man zum einen dann den Schatten des Bettes und zum anderen jenen der Figur, die im Bett zu sitzen scheint und unruhig herumnestelt, weil sie nicht schlafen kann.

D: Befindet sie sich zwischen zwei Bewusstseinszuständen, nicht mehr ganz wach, aber auch noch nicht im Schlaf?

Z: In schlaflosen Nächten bin ich oft sehr produktiv und habe viele Ideen. Die Situation kann aber auch sehr belastend werden, wenn ich keinen Schlaf finde. Das Gefühl, das die Arbeit vermittelt, ist ein zwiespältiges, da man nicht recht weiß, ob die Figur an etwas denkt oder bloß sehr müde ist und nicht einschlafen kann.

D: Die Situationen, die du zeigst, haben in ihrer Banalität ja auch etwas sehr Existenzielles an sich. Alle Leute kennen diese Situationen, in denen man zwar meint, nichts zu tun, in denen aber doch sehr viel passiert, weil man auf sich selbst zurückgeworfen wird.

Z: Ich verstehe meine Werke als eine Hilfe bei dem Versuch, über sich selbst nachzudenken. Ich benutze meist keine Sprache, sondern Geräusche aus der Umwelt und, selten, Musik. Je mehr sich die Arbeit zurücknimmt, desto mehr bringt der Betrachter sich selbst ein. Deshalb ist es mir wichtig, dass diese Figur, die ja eigentlich immer ich selbst bin, in allen Arbeiten stets dieselbe Kleidung trägt. Sie ist barfuß und hat ein Nachthemd an, das nicht figurbetont ist. Das hat etwas Androgynes und Altersloses an sich. Ich möchte ja nicht ich selbst sein. Die Figur soll ein Exempel für den Menschen an sich sein, eine Figur, in der man sich spiegeln kann. Und der Schatten wirkt sehr glaubwürdig.

D: Weil der Schatten mit einem Abbild gleichgesetzt wird?

Z: Ja, er hat auch etwas Verbindendes an sich, das für uns alle steht. Und er wirkt authentisch. Wenn du ein Schattenspiel siehst, in dem eine Person eine andere mit dem Messer ersticht, dann möchtest du eingreifen, weil du davon ausgehst, dass du indirekt Zeuge einer realen Handlung geworden bist. Bei einer Zeichnung käme das niemandem in den Sinn. Ein Schatten ist ja wie die Signatur eines Menschen. Er ist immer da, er ist selbstverständlich, und wenn er plötzlich nicht mehr der ist, den du zu meinen glaubst, erschrickst du. Oder du glaubst einen Schatten zu sehen und denkst, es wäre jemand da.

D: Die Installationen, die du in diesem Projekt zeigst, sind sowohl Bilder als auch Skulpturen. Was steht dabei für dich im Zentrum?

Z: Eigentlich handelt es sich um Collagen aus verschiedensten Medien, wie Licht, Raum, Objekt, Malerei und anderen. Die Videoaufnahme allein würde nicht funktionieren, sie ist nur in der Installation sinnvoll. Ich sehe die Arbeiten durchaus als Installationen, aber auch als Bilder, als dreidimensionale Bilder.

D: Weshalb sprichst du oft von Zeichnungen an der Wand, obwohl es im eigentlichen Sinne keine sind?

Z: Wenn ich das Bild begrifflich exakt beschreiben wollte, müsste ich es genau genommen als Schattenspiel bezeichnen. Aber da die Umrisse wichtiger sind als die Fläche, spreche ich hier von Zeichnungen.

D: Welche Rolle spielt das Akustische?

Z: In der Arbeit mit dem Flügel ist der Ton sehr wichtig, da er im Vorfeld aufgenommen wird und als Vorlage für das Spiel des Pianos dient. Die Figur versucht ja, ohne Klavierkenntnisse ein Stück zu spielen. Der Ton, den man hört, zeigt quasi das Scheitern am Klavier. Ich habe in Zürich einmal eine Performance gemacht, bei der ich an einem Flügel saß und vorgab, Rachmaninow zu spielen. Das Stück, das wohl als eines der schwierigsten überhaupt gilt, wurde von einer CD wiedergegeben, und ich tat so, als würde ich selbst es ohne Noten spielen. Wer sich hinter mich stellte, realisierte sehr schnell, dass nicht ich es war, die da spielte. Aber die meisten Besucher hatten zu großen Respekt vor der Situation, um dies zu überprüfen.

D: Die Handlungen, die du zeigst, wirken oft sehr spielerisch, auch in dem Sinne, dass sie nicht auf ein Ergebnis hin ausgerichtet sind und deshalb nicht so recht in die Erwachsenenwelt passen wollen. Stört es dich, wenn man deine Arbeit mit einer kindlichen Haltung in Beziehung bringt?

Z: Es sind sicher einige Parallelen vorhanden. Meine Arbeiten zeigen oft ganz bewusst keinen Ehrgeiz. Ich übe ein Lied beispielsweise nicht so lange, bis ich es kann. Ein erwachsener Mensch würde diesen Ehrgeiz aufbringen. Aber in meiner Arbeit geht es eben um den Mut, eine Schwäche zu zeigen, gerade auf einer Bühne, auf der man eigentlich lieber mit seinem Können brillieren würde. Die Kunst ist eines der wenigen Felder, die es zulassen, Erfolg zu haben, indem man Schwäche zeigt. Als Betrachter fühlt man sich dann vielleicht von der Kindheit wieder eingeholt. Denn Kinder tun vieles, was sie eigentlich gar nicht können. Meine Arbeiten haben aber auch viel mit meiner eigenen Kindheit zu tun, weil ich oft das Gefühl hatte, zu scheitern. Viele Erwachsene kennen dieses Gefühl noch sehr gut – wie es ist, wenn man im Turnunterricht von seinen Mitschülern nicht in eine Mannschaft gewählt wird, weil man am schlechtesten spielt. Kürzlich habe ich einen Bericht über einen Schauspieler gelesen, der als Bauernkind auf dem Land aufgewachsen war. Er meinte, heute werde er mit seinen Schwächen, unter denen er als Kind gelitten habe, auf der Bühne zum Helden. Bei mir ist es ähnlich – allerdings ohne dass es mir darum ginge, mich als Heldin darzustellen. Es geht darum, sich diese Schwächen einzugestehen, um sich daraus den Mut und das Selbstbewusstsein zu erarbeiten, die nötig sind, um sich hinstellen und sagen zu können: Hier bin ich, und ich kann nichts.

D: Deine Figur wird so zu einem Sympathieträger.

Z: Ja, insgeheim trägt jeder Mensch das Scheitern in sich und sieht sich in der Figur gespiegelt. In meiner Arbeit geht es auch um die bewusste Reduktion auf die Momente, in denen man sich selbst genügt.

D: Das Nichtstun im Erwachsensein?

Z: Ja, man nimmt eine Auszeit. Kinder sind manchmal müde und tun dann einfach nichts. Wenn man erwachsen ist, kennt man dieses Gefühl noch, man hat aber weniger Zeit und erlaubt es sich nicht mehr. Man spezialisiert sich auf etwas, was man kann, und lässt das bleiben, was man nicht kann, weil die Beschäftigung damit sehr viel Energie kosten würde. Sich zu üben in Dingen, die man nicht kann, ist eine Herausforderung. Man muss die Schwäche zur Stärke machen können.

D: Auch die Publikation erinnert in ihrem Erscheinungsbild an ein Kinderbuch.

Z: Der erste Teil ist ein Bilderbuch und baut auf meinen Zeichnungen auf, die sehr einfach gehalten sind. Sie zeigen jeweils nur eine Figur, und der Betrachter kann sehr viel hineinprojizieren, um sie besser zu verstehen. Dies hat den Ausschlag für die Idee gegeben. Das Buch fokussiert diese eine Protagonistin, aber nicht in Form einer eigentlichen Geschichte. Es gibt lediglich Einblick in das Leben dieser Figur, die hier – und das ist neu bei dieser Arbeit – über eine Stimme verfügt.

D: Ist dies das erste Mal, dass du deine Figur zu Wort kommen lässt?

Z: Ja, sie hat bisher nie gesprochen, außer in unverständlichen Sprachen. In meiner Arbeit „Nostigels“ murmelt sie in einer unbekannten, selbst erfundenen Sprache. Und in einer anderen Installation spricht sie am Telefon Japanisch – ein Japanisch allerdings, das, wie sich herausgestellt hat, auch ein Japaner nicht versteht. Also ist es eigentlich das erste Mal, dass man mehr erfährt über sie und das, was sie so macht.

D: Die Figur im Bild leitest du von dir selbst ab. Wie steht es mit dem Text?

Z: Ich hatte mir überlegt, dass ich der Figur für das neue Buch gerne eine Stimme geben würde. So habe ich Textfragmente gesammelt, Notizen aus meinem Alltag, einfache, simple Gedanken, Begebenheiten. Diese Notizen habe ich an einen Ghostwriter gegeben, der daraus seine Version des Textes erarbeitet hat. Dahinter stand die Idee, durch diese „Übersetzung“ die nötige Distanz zur Figur entstehen zu lassen. Denn die Texte gehören zu der Figur in den Arbeiten, nicht zu mir als Künstlerin.

D: Kommen wir nochmals auf die Ausstellung zurück. Ein wichtiges Element sind die Kristalle, die als Skulpturen auf Sockeln im Raum stehen. Welche Überlegungen liegen dem zugrunde?

Z. In meiner letzten Arbeit „Apartment“ wurde dem Betrachter das Gefühl gegeben, er befände sich in der Wohnung einer bestimmten Person. Das möchte ich hier nicht wiederholen, sondern platziere verschiedene Arbeiten im selben Raum. Zwei Betrachtungsweisen stehen im Zentrum. Die Installationen zeigen eigentliche Bilder, in die man sich hineinbegibt, indem man die Wirklichkeit wechselt. Die Kristalle haben die Funktion, die Installationen als Kunstwerke fassbar zu machen, also die Betrachter darauf zu verweisen, dass sie vor Skulpturen in einer Ausstellung stehen und sich nicht in einer anderen Welt befinden. Die Idee dahinter – der Wunsch, etwas herzustellen, was eigentlich unmöglich erscheint – bleibt dieselbe.

D: Du baust also auch einen Kristall, obwohl dies unmöglich ist?

Z: Genau. Kristalle entstehen ja nicht von heute auf morgen, sondern bilden sich über ich weiß nicht wie lange Zeit. Sie sind selten. Und deshalb sind sie wertvoll. Und nun habe ich den Anspruch, ein solches Objekt selbst zu machen. Ein Objekt, das man gar nicht selbst herstellen kann.

D: Warum gibt es sieben Kristalle in der Ausstellung? Hat die Zahl eine Bedeutung?

Z: Ja und nein. Ich wollte zunächst, dass es sieben Kristalle sind, einfach weil ich die Zahl Sieben mag. Und dann fand ich heraus: Es gibt in der Kristallografie sieben verschiedene Systeme: triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal und kubisch. Ein Zufall. Ich mag Zufälle, deshalb spielen sie oft eine Rolle in meinen Arbeiten.

D: Die Situation erinnert mich an Märchenfilme, in denen Geister oft ihre Schätze in Berghöhlen horten. Diese Höhlen sind meist so inszeniert, dass man als Zuschauer sofort weiß, man befindet sich in einem Märchen.
Z: Der erste Kristall ist zufällig entstanden, weil ich ein Modell gebaut habe für eine Arbeit, die schließlich gar nicht realisiert wurde. Ich fand ihn nicht sonderlich gelungen. Er war weit davon entfernt, ein perfekter Kristall zu sein. Dann kam mir in den Sinn, dass eben genau dies einen natürlichen Kristall ausmacht: dass er nicht „perfekt“ ist, dass er immer fehlerhaft gewachsen ist und seine Gestalt einmalig ist. Darum ist er so schön, weil er nicht perfekt ist. Perfektion ist langweilig. Und ich fing an, das Modell dieses Kristalls zu mögen. Er stand noch eine Weile in meiner Wohnung, bis ein Freund während eines Besuchs auf ihn aufmerksam wurde und ich ihn verschenkte. Danach begann ich den Kristall zu vermissen, und dieses Gefühl zeigte mir an, dass da etwas war, was ich noch genauer untersuchen musste. Also entwickelte ich ein zweites Exemplar, und momentan sind mehrere Exemplare am Entstehen. Der Aufwand ist groß und das Vorgehen eigentlich absurd, aber ich liebe die Gefühle, die damit verbunden sind.

D. Dann macht Kunst also alles möglich?

Z: Ja. Das glaube ich aus tiefstem Herzen.

D: Im Zentrum deiner Arbeit steht die Möglichkeit, das Unmögliche möglich zu machen?

Z: Ja, genau. Sei dies nun, am Flügel zu sitzen und Rachmaninow zu spielen, obwohl man es nicht kann, oder Kristalle herzustellen. Es handelt sich immer um Versuche, einen Traum wahr zu machen.

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